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ERBRECHT: Wer ist ERSATZERBE und was heißt alternativ ANWACHSUNG?

Folgende Fallgestaltung:
A ist ledig und kinderlos. In einem handschriftlich verfaßten Testament setzt A seinen Bruder B und seine Nachbarin N zu seinen Erben zu gleichen Teilen ein. Als A starb, war seine Nachbarin N bereits vorverstorben. Das Testament hatte A allerdings nicht geändert. Nach Eröffnung des Testaments beantragte Bruder B beim Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins, wonach er als Alleinerbe ausgewiesen werden soll. Dagegen erhob die Tochter der Nachbarin N Einwände und machte geltend, daß sie als Tochter deren Ersatzerbin und damit ebenfalls Miterbin geworden sei.
Frage: Wie ist die Rechtslage?

Fällt ein testamentarisch benannter Erbe vor Eintritt des Erbfalls durch Tod weg, so wächst sein Anteil grundsätzlich dem/den verbleibenden Erben an. Etwas anderes gilt nach § 2099 BGB nur in dem Fall, daß der Erblasser im Testament Ersatzerben ausdrücklich bestimmt hat. Enthält das Testament dagegen keine Ersatzerbenregelung, so gilt der Grundsatz der Anwachsung.
Eine gesetzliche Ersatzerbenregelung kennt lediglich § 2069 BGB für Abkömmlinge des Erblassers:
„Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, daß dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei gesetzlicher Erbfolge an dessen Stelle treten würden.“
Ergebnis: Da die Nachbarin kein Abkömmling des Erblassers A ist, ist deren Tochter wiederum kein gesetzlicher Ersatzerbe mit der Folge, daß der Bruder B Alleinerbe geworden ist.

Wie wäre der vorstehende Fall zu beurteilen, wenn der Bruder B vor dem Erblasser verstorben wäre und die Tochter des B eine Ersatzerbenstellung für sich reklamieren würde?
Aber auch in dieser Variante gilt zunächst die Feststellung, daß die Ersatzerbenregelung des § 2069 BGB nicht greift, weil der als Erbe bestimmte Bruder kein Abkömmling des Erblassers ist. Eine analoge Anwendung des § 2069 BGB ist nicht ohne weiteres möglich, es sei denn, im Testament gibt es in der Gesamtschau Hinweise des Erblassers dafür, daß es ihm bei der Berufung seines Bruders zum Erben bzw. Miterben darauf angekommen sei, das Vermögen im Familienstamm tradiert zu wissen. Es ist also bei solchen Fallgestaltungen anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung ein (hypothetischer) Erblasserwille für die Berufung des Kindes des nach Testamentserrichtung weggefallenen Bruders als Ersatzerbe festgestellt werden kann.

Schlußfolgerung: Die Errichtung eines Testaments ist kein leichter, vielmehr ein bedeutungsschwerer Akt, erfordert dies klare Formulierungen. Sollte der Aberglaube, wonach Erben doch Sterben heißt, einem die Sinne trüben, könnte die Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei der Abfassung eines Testaments vielleicht dienlich sein, um kein „Ei zu legen“.
In diesem Sinne: Frohe Ostern

Ihr
Michael H. König
Rechtsanwalt und Notar

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