Patientenverfügung: Totschlag
Töten auf Verlangen - Sterbehilfe
Am 25. Juni 2010 ist eine Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu erwarten über das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30.04.2009 gegen einen Rechtsanwalt, der zu einer Bewährungsstrafe von 9 Monaten verurteilt wurde, dem folgender Sachverhalt – in Kurzfassung – zugrunde liegt:
Die Mutter der Mandantin des Anwalts hatte eine Hirnblutung erlitten, aus der ein Wachkoma (Apallisches Syndrom) resultierte. Sie war schwerst pflegebedürftig und lebte in einem Heim. Sie hatte früher erklärt, daß sie keine lebensverlängernden Maßnahmen in Form von künstlicher Ernährung oder Beatmung wünsche. An „Schläuche“ wolle sie nicht angeschlossen sein. Vor diesem Hintergrund riet der Anwalt seiner Mandantin, den Schlauch der Magensonde zur künstlichen Ernährung zu durchschneiden, was sie auch tat, sollte dies den Sterbeprozeß einleiten. Dies wurde von Mitarbeitern des Pflegeheims entdeckt. Daraufhin wurden die Polizei eingeschaltet. Die Patientin wurde in ein Krankenhaus verlegt und verstarb dort zwei Wochen später aufgrund eines Herzversagens bei schwerer Herzschädigung wegen Bluthochdruckerkrankung. Ein Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Durchtrennung des Versorgungsschlauchs mit dem Tod war nach einem rechtsmedizinischen Gutachten nicht gegeben.
Gegen den Anwalt und seine Mandantin wurde ein Strafverfahren eingeleitet wegen des Vorwurfs eines versuchten Totschlags, da das Durchtrennen der Magensonde nicht kausal für den Tod der Patientin war.
Das Landgericht Fulda verurteilte den Anwalt wegen versuchten Totschlags zu einer Bewährungsstrafe von 9 Monaten. Seine Mandantin wurde indessen freigesprochen mit der Begründung, sie habe sich auf den Rat ihres Anwalts verlassen dürfen.
Der Anwalt und die Staatsanwaltschaft gingen in Revision. Der Anwalt forderte Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe. Der Freispruch der Mandantin des Anwalts blieb unangegriffen.
Am 02. Juni 2010 hat der 2. Strafsenat des BGH die Revision im Verfahren des Anwalts verhandelt, allerdings noch kein Urteil verkündet, soll dies jetzt am 25. Juni 2010 erfolgen.
Das Gericht hat zu prüfen, wieweit Sterbehilfe gehen kann und wo die Grenze zwischen aktivem Töten und natürlichem Sterben verläuft.
In dem Verhandlungstermin am 02. Juni 2010 zeichnete sich bereits eine Wende zugunsten des Anwalts ab. Der Staatsanwalt (Bundesanwalt) plädierte entgegen dem Antrag in der Vorinstanz auf Freispruch. Nach seiner Auffassung seien der Rat des Anwalts und das entsprechende Vorgehen seiner Mandantin gerechtfertigt: selbst wenn keine schriftliche Patientenverfügung vorhanden sei, genüge der mündlich geäußerte Wunsch, der zu respektieren sei. Der Wille des Patienten sei entscheidend, und zwar unabhängig von der Art und dem Stadium der Krankheit.
Die Urteilsverkündung des BGH soll am 25. Juni 2010 erfolgen. Vieles spricht für einen Freispruch des Anwalts.
Herrn Kusch aus Hamburg wird’s freuen.
Michael H. König
Rechtsanwalt und Notar